Viele der zur Eindämmung der Coronapandemie getroffenen Regelungen stehen in einem diametralen Gegensatz zu den Charakteristika der Jugendphase
In der neuesten Ausgabe der Dreizehn des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit wird konstatiert: Der Alltag hat sich im Frühjahr 2020 für viele radikal verändert: Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, die Schließung von Schulen, Gastronomie, Freizeitangeboten und Geschäften waren für alle eine erstmalige gesellschaftliche Erfahrung. Für Jugendliche und junge Erwachsene stellte diese Situation eine spezifische Herausforderung dar – dies gilt selbstverständlich in vergleichbarer Weise auch für Kinder oder Ältere. Wird die Jugendphase als die Zeit im Leben betrachtet, in der sich junge Menschen ausprobieren, Neues erkunden, neue Beziehungen eingehen, in der sich Lebenskontexte und Mobilität erweitern, so stehen viele der zur Eindämmung der Coronapandemie getroffenen Regelungen in einem diametralen Gegensatz zu diesen Charakteristika der Jugendphase.
Die dargestellten Ergebnisse aus der Corona-Befragung des DJI-Survey AID:A beleuchten dabei einige markante Befunde; zwei Aspekte seien im Folgenden nochmals betont:
Zum einen zeigen sich Anzeichen für eine mögliche Re-Familialisierung des Alltags von jungen Menschen. So stieg etwa die mit Familienmitgliedern verbrachte Zeit im Vergleich zum Jahr davor und Eltern waren nicht nur für die Jüngeren die primären Ansprechpersonen bei persönlichen Sorgen. Für Jugendliche ist diese Entwicklung ambivalent: Auf der einen Seite kann die Familie ein wichtiger Ort von Unterstützung und Sicherheit darstellen. Gleichzeitig nimmt die in der Familie verbrachte Zeit im Jugendalter typischerweise ab, die „Eroberung“ außerfamiliärer Räume nimmt zu und es entstehen neue Sozialräume unter Peers. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Ausmaß sich die Tendenz einer Re-Familialisierung fortsetzt und wie junge Menschen diese im Rückblick bewerten werden.
Zum zweiten wurden Kontakte mit Gleichaltrigen eingeschränkt oder zumindest kompliziert: Typische Orte des Zusammenseins mit Peers (wie Schule, Freizeiteinrichtungen, Angebote der Jugendarbeit) waren im Frühjahr nicht oder nur begrenzt zugänglich. Unter der Prämisse von Peers als wesentliche Sozialisationsinstanz im Jugendalter besteht die Gefahr, dass wichtige jugendtypische Erfahrungen (wie z. B. das Übernachten bei Freund*innen, der gemeinsame Aufenthalt im öffentlichen Raum, gemeinsame sportliche oder kulturelle Aktivitäten) nicht in gewohnter Weise und nicht im notwenigen Maß möglich sind. Wichtige Herausforderungen des Jugendalters wie Selbstpositionierung und Verselbstständigung erfolgen so unter erschwerten Bedingungen. Auch hier wird sich erst im Rückblick zeigen, welche Bedeutung die Coronapandemie auf das Erwachsenwerden junger Menschen insgesamt haben wird.
Nun steht für viele junge Menschen zusätzlich der Übergang in Ausbildung an, der sich ebenfalls durch die Pandemie deutlich unsicherer gestaltet als in den Jahren zuvor. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen ist aufgrund der langen Lockdown-Phasen gestiegen.
Hier brauchen sie Unterstützung und Sicherheit!
Quellen und Literaturhinweise:
- Dreizehn, Ausgabe 25, Jugendsozialarbeit trotz(t) Krise
- Berngruber, Anne/Gaupp, Nora. Soziale Beziehungen Jugendlicher in Zeiten von Social Distancing und Homeschooling. Analysen mit AID:A 2019 und dem AID:A 2020 Add-on zu Corona. Deutsches Jugendinstitut "Online-Konferenz." 29.04.2021
Weitere Informationen
Veröffentlichung
Bild zur Meldung
Weitere Meldungen
Kinder- und Jugendhilfereport 2024
Mi, 27. März 2024
Paritätischer Armutsbericht 2024: Armut in der Inflation
Mi, 27. März 2024