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„Und plötzlich bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen“

15 Frauen mit Migrationshintergrund aus dem Landkreis Vechta schließen sich zusammen – Wut und Angst vor Ausweisung in ihren Familien

 

Sie sind teilweise in der Region geboren, haben einen Beruf gelernt oder studiert, haben einen deutschen Pass: 15 Frauen aus dem Landkreis Vechta. Ihnen gemeinsam: Sie sind aufgeschreckt und wütend über Pläne, Menschen mit ausländischen Wurzeln auszuweisen. Sie, ihre Eltern, ihre Kinder. Vier von Ihnen erzählen, wie es Ihnen geht:

 

Neha Mylee Poudel beispielsweise. Ihre Mutter, heute 59, sei panisch nach Hause gekommen, als sie von den Potsdamer Plänen gehört habe. Als politische Flüchtlinge seien die Eltern damals von Nepal nach Deutschland gekommen. Spielsachen habe es für sie und ihre Geschwister nie viel gegeben, weil es immer hieß „Wir bleiben nur zwei Jahre“. Leben im Zwei-Jahres-Rhythmus.

Ihrem Sohn, heute in der ersten Klasse, habe die 33-jährige Neha Mylee ebenfalls Angst nehmen müssen. Ihm erklärt, dass er zwar hier geboren und mit hiesigem Pass selbstverständlich Deutscher sei. Aber auch irgendwie nicht. Irgendwie anders Deutsch als seine Klassenkameraden, deren Eltern in vierter Generation in Südoldenburg leben.

Wütend macht sie, „dass man Menschen wie meiner Mutter auch nach so vielen Jahren noch so schnell Angst machen kann“.

 

Weniger überrascht vom Bekanntwerden der Ausweisungs-Pläne war dagegen Dr. Araththy Logeswaran. Als Kind tamilischer Eltern aus Sri Lanka sei sie in Bakum geboren. „Die Ideen der Re-Migration standen schon vorher in Papieren.“ Jeder hätte sie also lesen und davon wissen können.

Ihre Mutter, Frau mit deutschem Pass, sei jedoch auch zu ihr gekommen mit den ironisch-ungläubigen und gleichzeitig verzweifelten Worten: „Die wollen sogar mich ausweisen!“ Womit Araththy Logeswaran nicht gerechnet hat, ist hingegen die starke Welle des Widerspruchs in Form von Demonstrationen von Augsburg bis Aurich und von Passau bis Pirmasens.

 

In die Knochen fuhren die Pläne auch Cihan Korkmaz, die künstlerisch tätig ist. Ihr Vater kam vor vielen Jahren aus der Türkei nach Ingoldstadt zu Audi. Sie selbst ist hier geboren. Politisch als Familie eher weniger interessiert sei ihre Tochter schockiert nach Hause gekommen mit den Worten: „Mama, was machen wir jetzt?“ und habe wie in Trance gefragt: „Welchen Pass haben wir?“

 

Auch Amira Hasso, beim Landes-Caritasverband von Berufs wegen für die Themen Migration und Integration zuständig, hört von ihren fast schon erwachsenen Kindern: „Mama, wo gehen wir denn jetzt hin?“ Und ob es nicht klüger sei, das Land bereits zu verlassen, bevor eine bestimmte politische Richtung an der Macht sei.

Auch aus Ländern wie Polen, Kamerun und Albanien kommen die 15 Frauen, die an einem ersten gemeinsamen Abendessen unter dem Motto „Ladies Diner“ teilgenommen haben. Gegenseitig stärken wollen sie sich damit, so Hasso. Raus aus der Opferrolle.

Alle hätten etwas erreicht, sind sie sich einig. Zahlen Steuern hier. „Wir leisten und leisten und leisten.“ Immer mehr als ursprünglich Einheimische. Durfte sie sich nur eine „3“ in Deutsch erlauben, um eingebürgert zu werden, hätte für Mitschüler auch eine „5“ gereicht. „Ich dachte, wie hätten es geschafft“, sagt eine der Frauen. „Und plötzlich bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen.“ Und das „mit voller Wucht“.

Menschen aus der zweiten Generation hätten es am schwierigsten, schildert Hasso. „Hier sind wir die Ausländer, in unseren Wurzelländern Deutsche.“ 

 

Auch Araththy Logeswaran erlebt das so: Sobald das Thema Migration hochploppe, seien sie gezwungen, sich mit ihrer Identität auseinanderzusetzen. Wieder und immer wieder. Einheimische müssten das nicht.

Fühlen sie die vier Frauen als Deutsche? „Ich war erlöst, als ich mal hörte, dass sich jemand als Deutsch-Türkin bezeichne“, beschreibt Logeswaran. Demnach empfinde sie als Deutsch-Tamilin so etwas wie eine „hybride Identität“. Amira Hasso verwendet eher das Bild der Farben. Die Farbe des Herkunftslandes vermische sich mit der Deutschlands und so entstehe eine neue, schöne Farbe.

 

Finanziert wird das Projekt ‚Ladies Diner‘ durch die ‚Partnerschaft für Demokratie‘. Umgesetzt wird es durch den Landes-Caritasverband für Oldenburg.

Infos zur Gruppe der Frauen mit Migrationshintergrund: Amira Hasso, Landes-Caritasverband, Tel. 04441/8707- 623.

 

Quelle: Pressemitteilung des Landes-Caritasverband für Oldenburg e.V. vom 4.3.2024

 

 

 

 

 

 

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Veröffentlichung

Di, 05. März 2024

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